Über Alkohol und Routinen

Ich gehe stark davon aus, dass die Dunkelziffer derer, die in ihrem Leben mal darüber nachgedacht haben, ein Buch zu schreiben, sehr viel höher ist, als man glauben mag. Auch mich hat das schon immer gereizt und tatsächlich habe ich auch mal eine, sagen wir mal, „längere Geschichte“ geschrieben.

Damals, anno Zweitausend, war es eine Novelle, in der der Protagonist den frauenverprügelnden Exfreund seiner großen Liebe umbringen will. Für das, was ich selbst immer noch manchmal gern als Film sehe, hatte das tatsächlich Potenzial.

Würde ich heute ein Buch schreiben, würde ich vom Altern und den wirklich erlebten Geschichten erzählen. Von weisen Menschen, die sich selbst gefunden haben. Oder durchweg suchen.
Und dass auch ich immer auf der Suche nach einer gewissen Weisheit bin. Nach Ruhe. Frieden mit der Welt. Frieden mit mir.

Bonjour tristesse

Diesen Frieden bekomme ich mittlerweile beim Training. Nie hätte ich gedacht, dass ich mich mal auf einen Halbmarathon vorbereiten und gleichzeitig an meinen Kraftwerten, besonders beim Kreuzheben im Parallelgriff, arbeiten würde. Für mich gab es eigentlich immer nur Musik und Fotografie. Ab und zu Literatur und Malerei. Immer getränkt von Alkohol.
Erst spät habe ich begriffen, dass ich süchtig bin. Nicht nach Alkohol oder Nikotin. Es war die Sucht nach Befriedigung, nach Ruhe, nach Auslastung. Irgendwas von Bestand. Süchtig nach Inhalt. Leben. Lebensinhalt.

Zum jetzigen Zeitpunkt rauche ich seit einigen Jahren nicht mehr und bin auf dem direkten Weg zu 10 Jahren ohne Alkohol. 
Mit dem Trinken habe ich aus gesundheitlichen Gründen aufgehört. Mit Rauchen durch einen Trigger. 
Ich dachte jeweils anfangs, dass ich, besonders durch den Verlust von Alkohol, nie mehr kreativ sein könnte. Oder mein Feeling für Musik abhanden gekommen wäre. Aber genau das Gegenteil war immer der Fall. Ich spielte präziser, klarer, komplexer. 

Wenn ich schon keinen Alkohol mehr trinken kann, sollte ich wenigstens noch eine Zeit lang rauchen. Bis eben dieser eine Moment kam. Rückblickend war es ein Befreiungsschlag, den es schon viel früher gebraucht hätte.

Das sind die Dinge, über die ich schreiben wollen würde. Detailliert. Nicht einfach nur, um es loszuwerden. Es tut gut! Und es sind keine schlechten Geschichten. 
Wie die Jahre, die ich in Bands gespielt habe. Was das mit mir gemacht hat. Und mit anderen: Beziehungen haben darunter gelitten. Das tun sie nun mal hin und wieder. Es ist schmerzhaft, aber es gehört zu einem Leben. Darüber würde ich schreiben, wenn ich vom Laufen schreiben würde.
Es ist hin und wieder schmerzhaft und ab und zu zwickt es. Aber man steht das durch und läuft weiter.

Clint Eastwood (bei Erstellung dieses Eintrages 94 Jahre) hat gerade einen weiteren Film gedreht: Juror #2.
Nochmal langsam: mit 94 Jahren. 
Das ist es: einfach das sein, was man ist. Jeden Tag. Ein Leben lang. Mal mehr, mal weniger. Aber immer irgendwie in seiner Spur. Wie auch immer die aussehen mag. Sei einfach nur kein Arschloch.
Inspirierend!

„Only the disciplined ones are free in life. If you’re indisciplined you’re a slave to your moods, you’re a slave to your passions.“ (Eliud Kipchoge)